Lean Consumption – Konsumprozesse verschlanken

Lean Consumption zielt darauf ab, Prozesse des Konsums radikal zu vereinfachen, indem kundenorientierte, maßgeschneiderte Lösungen angeboten werden, die den Kunden von jeglichem „Verschwendung“ wie unnötiger Komplexität, Mühe, Zeitaufwand oder Unsicherheit befreien.

James P. Womack und Daniel T. Jones haben dieses Konzept in einem Harvard Business Review Artikel 20051 beispielhaft erläutert welches ich hier in einer Blogartikelserie zusammenfassen und interpretieren möchte und gehe dabei auf die Beantwortung folgender Fragen ein:

Warum ist die Benutzung eines Produktes, der Kaufprozess, Terminvereinbarung oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung oft mit viel Aufwand, Stress oder gelassenen Nerven verbunden?

Wie sollte es besser aussehen?

Welche weiteren Vorteile ergeben sich dadurch für ein Unternehmen?

Hilfe, ich habe etwas gekauft!

Die guten alten Zeiten, in denen man einfach in ein Geschäft spazierte, etwas kaufte und mit seinem neuen Produkt glücklich nach Hause ging, sind vorbei. Heutzutage ist der Kauf eines beliebigen technischen Geräts – sagen wir eines Computers – der Startschuss für ein episches Unterfangen voller Gefahren und Mühen. Nach endlosen Recherchen zur Findung des „richtigen“ Computers für Deine hochspeziellen Anforderungen – von denen Du selbst noch gar keine Ahnung hattest, bis die unzähligen Optionen Dich schier verrückt gemacht haben – geht die wahre Odyssee los. Die Installation und Einrichtung samt unverständlichem Kauderwelsch eines Supportmitarbeiters irgendwo auf einem anderen Kontinent. Heruntergeladene „Hilfsmittel“, die sich nach dem Kauf als völlig nutzlos oder sogar schädlich herausstellen. Dann die nie enden wollende Jagd nach Software-Updates, Systemerneuerungen und ständig zu wechselnden Passwörtern.  

Und was machen die meisten Hersteller (Apple mal ausgeklammert)? Sie entwickeln fröhlich immer weitere Produkte, die die selbst verursachten Probleme beheben und unser Leben „verbessern“ sollen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie sie uns Kunden diese Qual möglichst ersparen könnten.

Es gibt jedoch Hoffnung – und zwar in Form des Konzepts „Lean Consumption“! Lean Consumption fordert von Herstellern und Anbietern, Geschäftsprozesse so zu gestalten, dass sie die Bedürfnisse der Kunden erfüllen, ohne Zeit, Aufwand und Ressourcen der Kunden oder der eigenen Organisation zu verschwenden. Unternehmen müssen endlich Lösungen und Angebote entwickeln, die dem Kunden den ganzen Ärger und die Plackerei abnehmen. Dem Kunden eine umfassende, durchgängige Nutzenerfahrung bieten ohne versteckte Kostenfallen oder unnötige Komplexität.

Option Overload: Wie die grenzenlose Freiheit des Marktes uns am Ende unfrei macht. 

Nicht nur der Kauf technischer Geräte stellt uns vor immer größere Herausforderungen. Im Zeitalter der grenzenlosen Wahlmöglichkeiten müssen Verbraucher bei so gut wie jeder Entscheidung eine schier endlose Fülle an Optionen durchforsten. Ob die private Rentenversicherung, der perfekte Internetanbieter oder die ideale Flugreise – der Markt konfrontiert uns mit einem riesigen Meer an Anbietern und Produkten, dank Internet und Mobiltelefon, zu jeder Zeit, an jedem Ort. Hinzu kommt, dass diese Produkte immer variabler anpassbar sind, um auch dem letzten individuellen Bedürfnis gerecht zu werden. 

Gleichzeitig leisten Kunden unbezahlte Arbeit wie das Ausfüllen kryptischer Bestellformulare oder das Nachverfolgen der eigenen Sendungen. Wir investieren unsere kostbare Zeit, um uns durch den Dschungel an Möglichkeiten zu kämpfen und Probleme zu lösen – die ohne unser Zutun gar keine Probleme wären. Gerade ältere Menschen sind mit dieser zusätzlichen Belastung jedoch oftmals überfordert.

Während sich der Alltag für viele immer weiter beschleunigt und Lebensmodelle wie Doppelverdienerhaushalte oder Alleinerziehende eher Regel als Ausnahme sind, bleibt uns immer weniger Zeit und Energie, um diese wachsenden Anforderungen zu bewältigen. Die Ressource der Aufmerksamkeit ist knapp – aber der Markt schreit nach Aufmerksamkeit auf allen Kanälen.

Die größte Herausforderung ist dabei weniger die Flut an Möglichkeiten per se, sondern die mangelnde Unterstützung dabei, die für unsere individuelle Situation passendste Option zu finden. Vielfalt kann ermüden – wenn sie nur um ihrer selbst willen existiert und keinen wirklichen Mehrwert für den Kunden schafft. 

Lean Consumption fordert deshalb von Anbietern, diesem Überangebot entgegenzuwirken: Weniger, aber durchdachtere Optionen, Lösungen aus einem Guss statt wild zusammengewürfelter Komponenten und eine konsequente Ausrichtung der Geschäftsprozesse auf die Bedürfnisse der Kunden. Nur so finden Verbraucher ihr verloren geglaubtes Paradies der entspannten Kaufentscheidung und des mühelosen  Konsumierens wieder. Egal ob jung oder alt, mit oder ohne Zeit – der Kunde steht im Mittelpunkt. Anbieter müssen Wege finden, ihm Entscheidungen abzunehmen, nicht welche aufzubürden.

Von schlanker Produktion zu schlankem Konsum

Lean Consumption hat seine Wurzeln im Lean Management, das auf Effizienzsteigerung und Verschwendungsvermeidung abzielt. Lean Managament bzw. Production fokussiert sich darauf, sämtliche Arten von Verschwendung in Fertigungsprozessen zu minimieren, indem unter anderem überflüssige Arbeitsgänge, unnötige Transporte oder fehlerhafte Produkte vermieden werden.

In vorherigen Blogartikelen habe ich bereits ausführlich darüber geschrieben

Die Lean-Philosophie hat sich mittlerweile jedoch über die reine Produktion hinaus ausgedehnt. Im Zeitalter der Kundenorientierung und massiven Produktauswahl gilt es auch, den Konsum an sich „schlanker“ zu gestalten. Kunden sollen in die Lage versetzt werden, genau die Produkte und Dienstleistungen konsumieren zu können, die ihren Bedürfnissen entsprechen – ohne dabei durch überflüssige Prozessschritte, irrationale Entscheidungskomplexität oder vermeidbare Reibungsverluste behindert zu werden. Wie in der Produktion geht es darum, „Verschwendung“ in all ihren Formen zu eliminieren – diesmal jedoch auf Seiten des Kunden.

Schlank gewinnt: Wie Unternehmen mit weniger mehr Gewinn machen. 

Lean Consumption lohnt sich nicht nur für Kunden. Auch Unternehmen profitieren enorm von einem „schlanken“ Ansatz beim Kundenmanagement – auch wenn manche Vorstände Angst vor zusätzlichen Pfunden im Budget haben. Aber keine Panik, die lästigen Fettpolster kommen nicht vom Kundenfokus – sondern vom Festhalten an alten Zöpfen!

Zufriedene Kunden sind die besten Empfehler. Sie arbeiten quasi umsonst für Marketingabteilungen, die sich teure Werbekampagnen sparen können. Loyale Kunden bleiben länger und zahlen auch noch mehr – ihre Zufriedenheit macht einfach süchtig nach diesem Unternehmen. 

Dass mehr Kundenfokus und Flexibilität zu Mondpreisen führen würden, ist ein hartnäckiger Irrtum. Im Gegenteil: schlanke, kundengetriebene Unternehmen wissen genau, was wirklich etwas kostet – und was sie sich sparen können. Sie haben gelernt, ohne Ballast zu wirtschaften. In der Praxis fallen vor allem überflüssige Tätigkeiten weg. Doppelarbeit, manuelle Eingriffe, Fehlerbehebung – alles reduziert oder automatisiert.

Insgesamt überwiegen bei Lean Consumption daher die finanziellen Vorteile für Unternehmen. Eine konsequente Kundenorientierung muss keineswegs teuer sein – sondern trägt sich durch zufriedene Kunden, optimierte Abläufe und strategische Anpassungsfähigkeit selbst. Voraussetzung ist natürlich, sie intelligent und nachhaltig umzusetzen. Dann allerdings ist „Lean“ gleichbedeutend mit einer höheren unternehmerischen „Fitness“.

Die Prinzipien von Lean Consumption

Lean Consumption basiert auf einigen wenigen, aber wirkungsvollen Prinzipien. Ziel ist es, wie bereits erwähnt, dem Kunden den Konsum von Produkten und Dienstleistungen so einfach und nutzenstiftend wie möglich zu machen. Das setzt voraus, den Kunden und seine Wünsche in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen. Anbieter müssen weg kommen von einer produktzentrierten Denkweise, hin zu einer kundenorientierten Sicht, die sämtliche Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden in den Blick nimmt und ihm optimale, durchgängige Lösungen bereitstellt. Die folgenden Prinzipien fassen zusammen, was Lean Consumption im Kern ausmacht – eine Fokussierung auf den Kundennutzen durch Verschwendungsvermeidung und reibungslose Prozesse vom Kunden her gedacht.

  1. Löse das Problem des Kunden vollständig, indem Du sicherstellt, dass alle Waren und Dienstleistungen funktionieren und zusammenarbeiten.
  2. Vergeude nicht die Zeit des Kunden.
  3. Biete genau das an, was der Kunde wünscht.
  4. Liefer das Gewünschte genau dort, wo es gewünscht wird.
  5. Biete das Gewünschte dort an, wo es gewünscht wird, und genau dann, wenn es gewünscht wird.
  6. Kontinuierlich Lösungen zusammenstellen, um dem Kunden Zeit und Ärger zu ersparen.

Wie diese Prinzipien in der Realität umgesetzt werden und was Unternehmen wirklich tun müssen, um Ihren Kunden das Leben leichter zu machen, das erfahren treue Leser in der Fortsetzung dieser Blogartikelserie. Stay tuned!


  1. https://hbr.org/2005/03/lean-consumption

Ein Kommentar zu „Lean Consumption – Konsumprozesse verschlanken

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